Ethohydraulische Forschung
Es werden zwei Sätze von Sensoren während der Projektlaufzeit entwickelt. Der erste ist ein nicht-invasives Biologger System, genannt Backpack Sensoren, die an der Rückenflosse von Fischen mit einem Gewicht von 3-5 g und einer Größe von 25x14x4mm³ (LxHxB). Vergleichstests zeigten eine geringe Veränderung der Schwimmfähigkeiten und eine vernachlässigbare Änderung der Passagezeit flussabwärts für Regenbogenforellen mit mehr als 250 mm Körperlänge. Die Sensoren erfassen Druck, Beschleunigungen und Orientierung mit bis zu 2048 Hz auf. Dies ermöglicht die Erkennung von Barotraumarisiken, vor allem aber zur die Verfolgung von Schwimmaktivitäten und Kollisionen. Die RETERO Rucksack-Sensoren sind perfekt sowohl für die Bewertung von Wasserkraftwerken als auch für ethohydraulische Studien geeignet und liefern neue und wichtige Erkenntnisse über das Verhalten bei der Passage von Wasserbauwerken. Erste Tests mit Aalen und Plötzen wurden in einer großen Archimedischen Schraube in Belgien durchgeführt und zeigten signifikante Verhaltenseffekte und Unterschiede beim Vergleich von passiven und fischmontierten Sensoren.
RETERO-Rinne
Die ethohydraulische Versuchsrinne weist eine Gesamtlänge von L = 30,0 m auf und besteht aus 4 Teilbereichen. Der erste, aus Betonelementen und Mauerwerk errichtete, Bereich umfasst den Quelltopf, in dem die Rinne mit Durchflüssen von bis zu Qmax = 500 l/s gespeist werden kann und einen Strömungsgleichrichter. Der daran anschließende zweite Teilbereich wurde mit Hartschaumplatten aufgebaut und hat eine Breite von B = 2,0 m. Er dient außerdem während der Fischversuche als Einsetzbereich. Der dritte Teil ist das Herzstück des Modellversuchs. Hier beginnend geht die Rinne von einem offenen in ein geschlossenes Gerinne über. Der aus Plexiglas auf einer Holzkonstruktion gefertigte Drucktunnel hat eine Länge von L = 12,5 m. Auf den ersten 7,5 m verjüngt sich die Breite linear von B = 2,0 m auf B = 0,45 m. Die weiteren 5,0 m geschlossene Rinne weisen dann wiederum eine konstante Breite von B = 0,45 m auf. Dieser dritte Bereich hat ein Gefälle von 1,67 % und dient während der Fischversuche als Beobachtungsbereich. Der vierte und letzte Teil der Rinne ist als offenes, 2,0 m breites Gerinne (Beton und Mauerwerk) ausgeführt und wird von einer höhenverstellbaren Klappe abgeschlossen. Über letztere kann der Wasserstand durch Rückstau im gesamten Modell reguliert werden. Weiterhin sind hier Störelemente verbaut, welches die Strömungsgeschwindigkeit wieder reduzieren. Ein Rechen dient als Hindernis für die absteigenden Fische, so dass diese nicht über die Klappe in den Tiefspeicher des Labors gelangen können. Vor dem Rechen werden die Versuchstiere nach erfolgreichem Abstieg entnommen.
Die gewählte Geometrie des Drucktunnels führt im ersten, konisch zulaufenden Teil zu einer kontinuierlichen Beschleunigung der Strömung, so dass letztlich abhängig vom eingestellten Durchfluss im konstant breiten Teil Fließgeschwindigkeiten im Bereich der maximalen Sprintgeschwindigkeit der Fische erreicht werden.
Neben der Untersuchung der Fischreaktionen auf beschriebenen longitudinalen Gradienten, kann durch den Einbau einer Umlenkwand im Einsetzbereich ein transversaler Gradient im vorderen Bereich des Drucktunnels erzeugt werden. Weiterhin wurde für die Versuche mit Flussbarschen im Herbst 2022 eine Schwelle geschlossenen Teil der Rinne eingesetzt, welche eine klarere Zonierung des räumlichen Geschwindigkeitsgradienten in Fließrichtung erzeugt.
Das gesamte Modell kann dank einer Umhausung komplett abgedunkelt werden, so dass neben Tageslicht- auch Nachtverhältnisse simuliert werden können.
3D-Videotrackingsystem
Zur Aufzeichnung des Fischverhaltens wurde der Beobachtungsbereich in 5 sogenannte Arenen (je L = 2,5 m) aufgeteilt. Dabei wurden für die Arenen A1 bis A4 jeweils eine Kamera über der Rinne und eine Kamera seitlich positioniert, so dass eine dreidimensionale Auswertung der Fischpfade erfolgen kann. In der zweiten Projektphase ab 2022 wurde das Trackingsystem um Arena A0 erweitert (Abb 1.). Weil der Druckbereich auf den ersten 2,5 Metern seitlich aufgrund eines Betonelements nicht einsehbar ist, wurde dieser Bereich als Arena 0 zumindest von oben mit 2 zusätzlichen Kameras ausgestattet.
Zur Erzeugung verwertbarer Videoaufnahmen muss die Rinne so ausgeleuchtet werden, dass der Fischkörper auch bei Nachtverhältnissen erkennbar ist. Dazu wurde ein Beleuchtungsystem aus einem IR-Strahler-Array entwickelt.
Das hat den Vorteil, dass die gewählte Wellenlänge im nichtsichtbaren Bereich der Fische liegt und somit das Verhalten nicht beeinflusst. Damit der Fisch als eine dunkle Silhouette vor einem gleichmäßigen hellen Hintergrund zu erkennen ist, wurden die vom IR-Array beleuchteten Plexiglaswände mit Diffusorfolien ausgestattet. (Abb. 2) Während der Fischversuche werden die Videoaufnahmen automatisch gestartet und mithilfe von IR-Blinksignalen im Nachhinein synchronisiert. Durch gleichzeitige Magnetimpulse von einer Spule können die Rucksacksensoren ebenfalls mit den Trackingdaten synchronisiert werden.
Hydraulische Messungen
Zur Beschreibung der Rinnenhydraulik wurden neben der Numerischen Simulation des ISUT physikalische Messungen am Modell durch das IWD vorgenommen. Es wurden acht Querschnitte im Beobachtungsbereich mit einem 2D-Laser-Doppler-Anenometer (TSI) hochaufgelöst vermessen (Abb. 3). Für die Hydraulik der Hypothese mit Umlenkwand wurden ADV-Messungen (Nivus-Keilsensoren & Vectrino) vorgenommen. Während der Fischversuche werden fortlaufend der Modellzufluss (MID), sowie die Wasserstände (Ultraschallsonden) im Einsetz- und Entnahmebereich aufgezeichnet.